Bewegungskönnen

 

ist das Resultat eines langen motorischen Lernprozesses. Wir verstehen darunter die entwickelte und vollbeherrschte Fähigkeit zur sicheren, schnellen und erfolgreichen Lösung konkreter Bewegungs- aufgaben ohne probieren. Das Bewegungskönnen als Krönung und relativer Abschluss des motorischen Lernens setzt nicht nur den Erwerb zahlreicher automatisierter Fertigkeiten voraus.

Es ist darüber hinaus eine Summation wichtiger motorischer Eigenschaften und sensor- motorischer Fähigkeiten: dem Könner müssen gut entwickelte konditionelle Voraussetzungen, wie Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, und allgemeine Beweglichkeit eigen sein.

Er muss weiterhin in hohem Maße über koordinative Eigenschaften verfügen wie Gewandtheit, Geschicklichkeit, hohe Elastizität der Bewegungen und über die Fähigkeit zur zweckmäßigen Rhythmisierung. 

Das können an sich braucht noch kein Gewinn zu sein, denn die noch so vollkommene und sichere Herrschaft über den eigenen Körper und seine Bewegungen kann ebenso zum Guten wie zum Schlechten verwendet werden. Es kommt vielmehr darauf an, dass die Ausbildung des Bewegungskönnens bewusst in den Dienst gesellschaftlich wertvoller Erziehungsziele und einer wahrhaft humanistischen Erziehung gestellt wird. Dann erst wird es zu einem wesentlichen, sittlich bedeutsamen Fundament der werdenden Persönlichkeit. Wie tief das Bewusstsein des Könnens hineinverflochten ist in das Fühlen und wollen einer sittlich gereiften Persönlichkeit, hat Friedrich Ludwig Jahn aus eigenem Erleben klar erkannt und ausgesprochen.

 

>>Man trägt ein göttliches Gefühl in der Brust, sobald man erst weiß, dass man etwas kann, wenn man nur will. << Dieses Wissen um das eigene Können verleiht Selbstvertrauen, gibt Sicherheit und Zuversicht im Handeln und lässt allmählich ein gesundes Selbst- Bewusstsein entstehen. Auf dieser soliden Grundlage entwickeln sich auch so wertvolle charakterliche Wesenszüge wie Enthaltsamkeit, Maßhalten, Fleiß, Ausdauer, Mut, Entschlusskraft, Tapferkeit, und härte.

Es ist eine vielfach bestätigte Erfahrung, dass durch gediegenes sportliches Können auch soziale Tugenden wie Hilfsbereitschaft, Kameradschaftlichkeit, dauerhafte Freundschaft, Zuverlässigkeit und Fairness im

Wettkampf, im Spiel und im Leben besonders gut gedeihen.

Wohl die schönste und reifste Tugend des wahrhaft großen Könners im Sport ist die Bescheidenheit.    

 

Persönlichkeitsentwicklung

 

 

Durch ein vielseitig entwickeltes sportliches Können werden auch tiefe und nachhaltige emotionale Erlebnisse erschlossen, die in ihrer persönlichkeitsformenden und sozial integrierenden Kraft nur im Sport so intensiv möglich sind.

Sportliches Können schafft auch selbst lebendige Schönheit. Im vielseitigen sportlichen Training entwickelt sich die Schönheit des Körperbaues im Rahmen der anlagemäßig gegebenen Möglichkeiten in optimaler Ausprägung.

In der griechischen Kunst war die vollendete Schönheit der menschlichen Haltung und Bewegung zum zentralen Gegenstand der plastischen Darstellung geworden.

 

Bewegungsrhythmus

 

•Die Entwicklung sportlicher Bewegungsrhythmen erfolgt auf der Grundlage Biomechanischen und Biologischen Bedingungen der menschlichen Bewegungstätigkeiten in der aktiven motorischen Auseinandersetzung mit der Umwelt.

•Die optimale Ausprägung sportlicher Bewegungsrhythmen hängt weitgehend von der Spezifik der jeweiligen Sportartengruppe, Sportart beziehungsweise Disziplin ab. Als wichtigste allgemeine Tendenz zeichnet sich ein Verhältnis von Muskelspannung und –Entspannung ab, das eine ausreichende Entspannung der tätigen Muskelgruppen sichert.

 

 

Der Lehrende sollte vor jeder Bewegungs- bzw. Technikschulung das anzustrebende Rhythmusmuster bestimmen, bezogen auf die Bewegungs- bzw. technikspezifischen Anforderungen.

Anhaltspunkte sind u.a.:

 

Höhepunkte im Krafteinsatz; Entspannungsphasen; Wechsel der Bewegungsrichtung; Schrittgestaltung; Arm-Bein –Koordination; Zeittakt von Zyklen- Wiederholungen.

 

 

 

Lehr- u. Übungspraxis

 

 

 

Das Erfassen des Bewegungsrhythmus durch den Lernenden ist meist der entscheidende Schritt, insbesondere wenn die motorische Aufgabe komplizierter und mehrgliedrig ist.

Optischer Zugang: Hervorhebung der Rhythmusstruktur bei Demonstrationen „live“. Sprachliche und / oder rhythmisch –akustische Unterstützung.

Akustischer Zugang: Rhythmische Sprechweise und Rhythmusinstrumentierung sind wirksamer als der optische Zugang ohne akustische Unterstützung. (Handklatsch)Taktil-kienästhetischer Zugang: Er führt nur über Erleben, >>Erfühlen<< der eigenen Bewegung erfordert den unmittelbaren Bewegungsvollzug. Der Lehrende sollte dabei den Bewegungsrhythmus besonders auch in Emotional- motivationaler Hinsicht nutzen, indem er den Lernenden alsbald zum Erleben der Rhythmischen Struktur, des Wechsels von Spannung und Entspannung der Muskulatur und zur zunehmenden „Beherrscher Freude “ führt.

 

Motorisches Lernen

 

 

 

Es vollzieht sich in Verbindung mit der Aneignung von Kenntnisse, mit der Entwicklung von Koordinativen und Konditionellen Fähigkeiten sowie mit der Entwicklung von Überzeugungen, Einstellungen, Verhaltens- und volitiven Eigenschaften.

Motorisches Lernen im Sport ist in allen Phasen als Einheit von Wissens- und Könnens Aneignung zu planen und zu gestalten,

 

ausgehend von der Spezifik menschlichen Lernens und der Einheit mentalen und motorischen Lernens.

 

 

Folgerungen für die Lehrpraxis

 

Bedingungen und Voraussetzungen

 

Hier muss an erster Stelle das motorische Ausgangsniveau genannt werden. Ist beispielweise das Niveau motorischer Fähigkeiten nicht ausreichend, so müssen dem Lernprozess bestimmte vorbereitende oder Vorübungen vorangestellt werden. Das trifft besonders für die koordinativen Fähigkeiten zu, deren Niveau jeweils möglichst genau eingeschätzt werden sollte.

Das Stellen der motorischen Lernaufgaben durch den Trainer muss daher mit Sorgfalt und Überlegung erfolgen, weil davon sowohl Lernmotivation und Lernaktivität als auch die erste Grobe Vorstellung von der zu erlernenden Bewegung maßgeblich bestimmt werden.

Der Lernende muss, wenn er die Aufgabe verstanden hat, sofort zu praktischen Versuchen, zum Üben des Bewegungsablaufes geführt werden.

Der Übungsprozess und die Übungsbedingungen sind nach Möglichkeit so zu organisieren, dass der Lernende schon nach wenigen Versuche zur ersten gelungenen, wenn auch noch unvollkommenen Ausführung der ganzen Bewegung gelangt. Bei Bewegungsleistungen, deren Anforderungen sowohl Genauigkeit als auch Schnelligkeit enthält, darf bereits in der ersten Lernphase, soweit möglich, nicht aus Gründen der Erleichterung vernachlässigt werden.

 

Eine zunächst nur in verlangsamter Ausführung erlernte Bewegung führt zu Herausbildung einer völlig anderen

 

Bewegungskoordination, als die Zielbewegung erforderlich ist.

 

Hinweise, Korrekturen und Demonstrationen sollen so gegeben werden, dass sie der Lernende auf seine eigenen Bewegungsempfindungen und seine noch unvollkommene Bewegungsvorstellung beziehen kann.

Hier ist u.a. ein kurzer Impuls zur Verdeutlichung eines dynamischen Höhepunktes im Bewegungsvollzug meist wirkungsvoller als die Beschreibung mittels vieler Worte. 

 

 

 

Allgemeiner Grundstruktur

 

 

Die Funktion der Hauptphase ist die Lösung der eigentlichen Aufgabe.

Die Funktion der Vorbereitungsphase besteht – ganz allgemein gesagt – in der Schaffung optimaler Voraussetzungen für die Erfolgreiche und ökonomische Ausführung der Hauptphase. Das geschieht in der Regel durch eine Ausholbewegung.

Die Vorbereitung der Hauptphase durch die Ausholbewegung besteht darin, dass für die beteiligte Muskulatur ein optimaler Arbeitsweg und günstige Winkelverhältnisse der Gelenke geschaffen werden. Entsprechend dem Biomechanischen >>Prinzip des optimalen Beschleunigungsweges<< (vgl. Hochmuth,1982) das allerdings in seiner Gültigkeit zunächst auf Bewegungen beschränkt ist, mit denen hohe Endgeschwindigkeiten erreicht werden sollen.

Je weiter ich aushole, umso länger kann die Muskulatur in der Hauptphase Beschleunigungsarbeit leisten, und umso größer wird die Leistung. 

Neben einem optimalen Beschleunigungsweg ermöglicht die Ausholbewegung – vorausgesetzt, dass zwischen Vorbereitungs- und Hauptphase keine Pause eintritt- vom Moment der Bewegungsumkehr an eine höhere Anfangskraft. Sie wird erreicht durch das erforderliche Abbremsen der Gegenbewegung. Das Biomechanische

>>Prinzip der Anfangskraft<< ebenfalls zunächst beschränkt auf Bewegungen, bei denen eine hohe Endgeschwindigkeit erreicht werden soll – also auf Wurf-, Stoß- und Sprungbewegungen.

Beziehungen zwischen dem Abbremsen der Ausholbewegung und der Anfangskraft bestehen in folgenden: Die Muskulatur besitzt bereits zu Beginn der Hauptphase eine höhere Anfangsspannung, weil Ihre Zentrale Innerovation und die reflektorische Verstärkung dieser Innervation schon mit dem Abbremsen der Ausholbewegung vor der Bewegungsumkehr eingesetzt hat. Hinzu kommt die Ausnutzung der Energie der elastischen Deformation der Muskeln, die beim Abbremsen der Ausholbewegung akkumuliert wird. Die erreichbare Muskelspannung ist von der optimalen Dehnung abhängig.

 

Phasen des Lernverlaufs

 

Die erste Lernphase umfasst den Lernverlauf von ersten näheren bekannt werden mit dem neu zu erlernenden Bewegungsablauf bis zu einem Stadium,

in dem der Lernende die Bewegung bei günstigen Bedingungen bereits ausführen kann.

Die Grobkoordination ist durch folgendes Erscheinungsbild der Bewegungsausführung charakterisiert: Typisch ist ein übermäßiger und teilweise falscher Krafteinsatz, das heißt, die Bewegungsstärke ist noch fehlerhaft.

Die Ausführung wirkt einesteils verspannt und verkrampft, andernteils auch kraftlos und schlaff.

Es fehlt das zweckmäßige Wechselspiel zwischen Anspannung und relativer Entspannung der Muskulatur, der zweckmäßige Bewegungsrhythmus.

Charakteristisch für die Grobkoordination ist ferner ein mangelhafter Bewegungsfluss. Das betrifft

insbesondere die Verbindung der Vorbereitungsphase mit der Hauptphase. Es treten deutlich Stockungen und teilweise Unterbrechungen im zeitlichen Verlauf auf.

 

 

 

Die zweite Lehrphase:

Entwicklung der Feinkoordination

 

Die zweite Lernphase umfasst den Lernverlauf vom Erreichen des Stadiums der Grob- Koordination bis zu einem Stadium, in dem der Lernende die Bewegung Annährend fehlerfrei ausführen kann. Dabei wird die Aufgabe unter den gewohnten, günstigen Übungs- Bedingungen ohne störende Einflüsse voll und mit Leichtigkeit erfüllt.

Die Bewegungsstruktur entspricht dem Bewegungs- Zweck und damit der angestrebten Technik in weitgehendem Maße. Unter diese Bedingungen sind auch bereits höhere Leistungen und eine relativ hohe Beständigkeit möglich.

 

Treten jedoch ungewohnte, ungünstigere Bedingungen und Störeinflüsse aus dem äußeren und inneren Milieu auf, wie das z.B. im Wettkampf fasst immer mehr oder weniger der Fall ist, dann ist die Erfüllung der Aufgabe nicht gleichermaßen vollkommen.

• Wir bezeichnen das Ergebnis der zweiten Lernphase als Stadium der Feinkoordination. Damit ist eine höhere Stufe im geordneten Zusammenspiel der Kräfte, Teilbewegungen und Bewegungsphasen erreicht.

Der Bewegungsablauf wirkt harmonischer und geschlossener. Die Feinkoordination ist im Unterschied zur Grobkoordination eine weitaus angepasster, zweckmäßigere, rationellere Form des Sich- Bewegens,

ohne die größeren Leistungen im Sport und in der Arbeit nicht möglich sind. 

Nicht allein die Anzahl der Wiederholungen ist für den Lernfortschritt entscheidend, sondern die gedankliche Mitarbeit des Lernenden ist wichtige Voraussetzung für eine rationelle Ausarbeitung der Feinkoordination.

 

Gedankenlose Wiederholung führt oft zur Festigung von Fehlern.

 

Die Herausbildung der Feinkoordination fordert eine Zielgerichtete Lenkung der Aufmerksamkeit des Lernenden auf Einzelheiten des Bewegungsvollzuges.

 

Stand in der ersten Lernphase die Einstellung auf das Ziel, auf die zunächst elementare Bewältigung der Bewegungsaufgabe im Vordergrund, so muss nun eine >>Rückwendung<< der Aufmerksamkeit auf die Bewegungsführung der Gliedmaßen, des Rumpfes,

 

auf die Haltung des Kopfes und auf andere Einzelmerkmale in den verschiedenen Bewegungsphasen erfolgen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die dritte Lernphase

 

 

Die dritte Lernphase umfasst den Lernverlauf vom Erreichen des Stadiums der Feinkoordination bis zum Stadium der Variablen Verfügbarkeit.

 In diesem Stadium kann der Lernende die erlernte Bewegung auch unter schwierigen und ungewohnten Bedingungen erfolgreich anwenden.

 

• Im Verlauf dieser Lernphase kann der lernende seine Aufmerksamkeit mehr und mehr von der Bewegungsausführung lösen, sie wird damit frei für die Verfolgung des taktischen Geschehens, für rechtzeitige Vorausnahme von Schwierigkeiten, für Konzentration auf eine volle  Ausschöpfung der Konditionellen Fähigkeiten oder auf  hohen künstlerischen Ausdruck im Bewegungsvollzug.

Die praktische Anwendung der erlernten Bewegung bestimmt den erforderlichen

Grad der Stabilisierung und der variablen Verfügbarkeit

sowie die möglichen Störeinwirkungen.

 

• In vielen Lernprozessen wird das Stadium der dritten Lernphase nicht oder nicht vollkommen erreicht; das ist nur bei einer intensiven weitern Ausbildung und einer Bewussten, konzentrierten Lernarbeit möglich.

Ein absoluter Abschluss der dritten Lernphase und damit des gesamten Lernprozesses kommt praktisch nicht vor. 

 

• Im sportlichen Training ist ein ständiges Weiterlernen notwendig, wenn nicht ein Rückgang der Stabilität und variablen Verfügbarkeit eintreten soll.

 

 

Folgerung für die Lehrpraxis

 

 

• Von der lehrmäßigen Gestaltung her gesehen ist die dritte Lernphase eine Fortsetzung der zweiten mit einem anderen Akzent: Stand in der zweiten Lernphase die Vervollkommnung der Bewegungskoordination bei nur wenig variierten Übungsbedingungen im Vordergrund, so liegt jetzt der Akzent auf einer weiteren

 

 Vervollkommnung durch Anpassung an veränderte oder wechselnde Bedingungen.

 

• Eine ganz entscheidende Rolle spielt in der dritten Lernphase der Wettkampf selbst. Er wird Anfangs oft als sogenannter Trainingskampf angewendet, das heißt, nicht Sieg ist das Hauptziel, sondern die Stabilisierung der erlernten Technik unter Wettkampfbedingungen.